Was Sie schon immer über das Rheinische Volkstheater wissen wollten (sollten).
Wir über uns und was wir anders machen als andere und warum wir damit Erfolg haben.
“oder der von Karl Schmalbach 2013 verfasste Letzte Wille betreff die
Rheinische Mundart”:
“Im vergangenen Jahr gingen in Köln, Düsseldorf und auch hier am Niederrhein
Meldungen durch die Presse, wie „Die rheinische Mundart stirbt aus !”, was sich besonders im Besucherschwund bei den Mundartbühnen bemerkbar mache.
Da wir, das Lotumer Buretheater von diesem Rückgang ziemlich unberührt geblieben
sind, fragen wir uns - und Sie, liebe Besucher, natürlich auch, was wir denn anders machen als die solchermaßen betroffenen Bühnen hier im Rheinland. Und da stellen wir fest, daß manche dieser Bühnen ihre
Besucher offenbar überfordern, weil sie ihnen des Guten zu viel zumuten; will heißen, in ihren Stücken wird wohl zu viel Platt gesprochen.
Die Bewahrer des alten Platt glauben wohl, damit zur Erhaltung der alten, eigenen
Sprache beizutragen - das Gegenteil aber wird hiermit bewirkt! Volkstheater muss in der landläufigen Umgangssprache aufgeführt werden, wobei es im Ermessen des Autors liegt, wie viel heimisches Platt er
seinem heutigen Publikum zumuten kann. Dabei ergeben sich durch die Gegenüberstellung von lokalem Platt und Hochdeutsch Pointen, die sonst nirgendwo möglich sind; aber auch mit sprachlichen Pannen, die dem
Plattsprecher unterlaufen, wenn er plötzlich Hochdeutsch sprechen muss. Gerade daraus ergibt sich eine ganz spezielle Komik, die nur lokal möglich ist. Diese Komik wirkt zwar auf den auswärtigen Besucher
solch lokaler Aufführungen manchmal peinlich, ist aber sehr publikumswirksam.
Das alles ist hier im Rheinland eigentlich gar nichts Neues. Die besten rheinischen
Komödien, die auch als Filme Riesenerfolg hatten, wie Müller-Schlössers Schneider Wibbel oder Heinrich Spoerls Feuerzangenbowle wurden schon vor über 100 Jahren verfasst - und zwar in rheinischer
Umgangssprache, nicht in Platt!
Die deutsche Filmförderung hat im vergangenen Jahr(2013) 290 Mio. Euro
für die Produktion von Filmen ausgegeben! Diese wurden von 24 Mio. Besuchern gesehen. Aber: 70% dieser
geförderten Filme locken weniger als je 10.000 Besucher ins Kino (WELT a. S., 26. 5. 2013)! Zum Vergleich: Die Kölner Kumede, die auch schon vier Stücke von mir spielte, hat jeweils über 12.000 Besucher
und wir, das LOTUMER BURETHEATER immerhin etwa 6.500! Das alles ohne jegliche Förderung - im Gegenteil: Wir erzielen Überschüsse, die wir für caritative und kulturelle Zwecke in unserer Stadt spenden
– bisher über 250.000 Euro.
In Köln protestiert man schon seit langem gegen den WDR, weil er Mundart-Sendungen inzwischen völlig aus
dem Programm gestrichen hat - allerdings schon vor 20 Jahren - und so kommen diese Proteste z. Zt. reichlich spät. Damals wurden auch mehrere Stücke von mir vom WDR bei der KUMEDE aufgenommen und im
Hörfunk gesendet, nämlich „Opa höt nixl” und „König Koebes I." Zwei weitere Stücke, „Tante Trina” und „On dat am hellije Ovendl” wurden zwar gespielt, fanden aber keine Gnade mehr
bei den Programm-Machern, vor allem, da der rührige Redakteur dieser Mundartreihe, Ernst Mömkes, inzwischen pensioniert war.
Auch ein heimatkundliches Hörspiel über Pastor Jakobs und den historischen Glockenguß zu Lank
l780, verflochten mit der Geschichte des Findelkindes von Ossum, wurde von Ernst Mömkes in Auftrag gegeben, aber von seinen
Nachfolgern nicht produziert. Offenbar ist man beim WDR der Meinung, dass das Kölsch der Karnevalsgruppen, an dem Funk und Fernsehen nun einmal nicht vorbei kommen, reichen müßte. Dagegen läuft man jetzt
in Köln Sturm, vor allem der Heimatverein Alt Köln mit seinem rührigen Vorsitzenden Prof. Dr. Jürgen Bennack.
Als die Stadt Krefeld vor einem Jahr ankündigte, daß für die kulturelle Nutzung diverser
städtischer Einrichtungen demnächst Mieten fällig würden, lamentierten einige Nutzer bereits, dass unter diesen Umständen ihr Theaterbetrieb nicht mehr möglich sei.
Das Lotumer Buretheater zahlt seit Jahren für seine Vorstellungen im Forum Wasserturm Miete - und zwar 3000
Euro jährlich! Ausserdem wurden durch uns Einrichtungen finanziert (Vordach am Bühneneingang, Abschlußvorhang im Zuschauerraum), die auch von anderen Künstlern genutzt werden.
In Düsseldorf tut man sich schon immer schwer mit den kreativen Geistern dieser Stadt, besonders mit
Heinrich Heine. Jüngstes Beispiel: In der Schneider-Wibbel-lnszenierung des Schauspielhauses vor drei Jahren verlegte man die Zeit der Handlung von der Franzosenzeit 1805-12 in die um 1920. Damit hatte nun
Heine überhaupt nichts zu tun. Dabei hat Hanns Müller-Schlösser, der Wibbel-Autor, das ganze Milieu und sogar einige Personen, auch den Wibbel, aus Heines Memoiren abgeleitet.
Tja _ . . auch Müller-Schlösser hatte schon zu Lebzeiten seine Probleme mit den Düsseldorfern und darum
hat er seine letzten Theateraktivitäten nicht in seiner Vaterstadt, sondern in Neuss umgesetzt. Übrigens hat Müller-Schlösser nicht nur den Wibbel, sein Paradestück, geschrieben, das in 26 Sprachen
übersetzt und weltweit gespielt wurde, sondern noch weitere neun Stücke, wie „D'r Mählbüdel”, „Et Zinnkännche” oder „Das Loch in der Hecke", die alle noch von einem Hamburger Verlag
angeboten werden. Für die Düsseldorfer Bühnen wären diese Stücke heute Pflichtübungen.
Ich habe 1988-89 insgesamt 152 mal im Schneider Wibbel in der Inszenierung der Komödie mit gespielt, sowohl
in der Steinstraße als auch auf Tournee von Hamburg bis an den Bodensee.
Merkwürdigerweise haben all diese Ereignisse, deren Kenntnis die Voraussetzung für
erfolgreiches rheinisches Volkstheater ist, die hiesige Presse nur selten interessiert. Man berichtet über unsere Premieren, als ob es einmalige Vorstellungen wären, etwa wie das Gastspiel einer beliebigen
Theatergruppe. Darüber, daß noch weitere 20 ausverkaufte Vorstellungen den Zuspruch des Publikums finden, über den Hintergrund der Stücke und daß sie hier entstanden sind und daß diese Stücke aus Meerbusch
inzwischen von vielen anderen rheinischen Bühnen gespielt werden, und dass dies für die gesamte Region einmalig und beispielgebend ist, darüber verliert man keine Zeile.
Für unser Ensemble, das sich alljährlich seinen Beifall mit viel Fleiß und Können verdient, ist diese
merkwürdige Ignoranz frustrierend.”
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